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Grüner Stahl: Wie die Stahlproduktion ihre Emissionen verringern kann

Die Stahlindustrie verursacht mehr als 7 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Um die Branche grüner zu machen, wird derzeit an mehreren Schrauben gedreht. Die JOANNEUM RESEARCH bringt ihre Expertise ein.

Stahlproduktion: Hochofen

Die Herstellung von Stahl ist äußerst energieintensiv. An "grüneren Verfahren" wird intensiv gearbeitet. Foto: Pixabay/zephylwere0

145,5 Millionen Tonnen Stahl wurden im vergangenen Jahr allein von den 71 Mitgliedsländern der Weltstahlvereinigung (worldsteel.org) produziert. Die Herstellung ist energieintensiv und verursacht enorme Mengen an CO2-Emissionen. Wie kann man dem entgegenwirken?

Stahl aus Stahlschrott

„Wenn man Stahl aus Stahlschrott herstellt, anstelle den primären Rohstoff Eisenerz zu verwenden, lassen sich die CO2-Emissionen um bis zu 75 Prozent senken und die Produktion energieeffizienter gestalten“, so Harald Ganster und Malte Jaschik vom Institut DIGITAL. Sie arbeiten im Zuge des Projekts InSpecScrap an einer innovativen Materialcharakterisierung des Altmetalls: Dabei wird seine Zusammensetzung, die von entscheidender Bedeutung für die Qualität des produzierten Stahls ist, mittels künstlicher Intelligenz (KI) und hyperspektraler Multi-Sensorik charakterisiert. So können Störstoffe im Stahlschrott gefunden und Qualitätsmerkmale automatisiert bewertet werden. „Mit den Ergebnissen lassen sich neue Ansätze für zukünftige, KI-basierte Klassifikationsmethoden entwickeln, welche einen weiteren entscheidenden Aspekt in die Digitalisierungskette der Stahlindustrie hinzufügt“, führen die beiden Forscher aus. Das Institut arbeitet dabei eng mit der TU Graz, den Kompetenzzentren K1-MET und KNOW-Center zusammen. Die Marienhütte und Voestalpine Stahl Donawitz unterstützen als Industriepartner das Projekt.

Soziale Verträglichkeit

Für eine wirklich nachhaltige Umstellung der Stahlindustrie gilt es aber auch die soziale Dimension zu berücksichtigen. So haben Ingrid Kaltenegger und Michael Brenner-Fließer vom Institut LIFE gemeinsam mit der Universität Graz die soziale Verträglichkeit einer Umstellung zu einer umweltverträglicheren Stahlproduktion – unter Verwendung von Altholz statt Kohle – in Belgien, China und den USA unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die gesellschaftlichen Auswirkungen hängen stark von Standort und Zulieferer-Betrieben ab. Wird die für die Beheizung der Hochöfen verwendete Kohle teilweise durch Altholz ersetzt, führt dies zweifellos zu CO2-Einsparungen, aber nicht zwingend zu positiven Effekten auf die Gesellschaft. So bezieht etwa China Kohle aus Australien, wo sie unter hohen Standards hergestellt wird. Durch eine Umrüstung würde diese durch lokale Produkte ersetzt, bei denen weit weniger auf soziale Nachhaltigkeit geachtet wird. Belgien hingegen importiert derzeit Kohle, die unter schlechten sozialen Bedingungen abgebaut wird. In diesem Fall würde die Verwendung von regionalem Altholz gesellschaftliche Vorteile bringen. Im Rahmen des EU-Projekts TORERO werden derzeit in einer Musteranlage im belgischen Gent zum Beheizen der Hochöfen teilweise Holzabfälle eingesetzt, etwa aus abgerissenen Dachstühlen und dem Verschnitt in Sägewerken. Das Forscherteam hat auch hier die Konsequenzen für Mensch und Natur analysiert: „Die Ergebnisse sind auch auf Österreich übertragbar und die Verwendung von Altholz statt Kohle könnte auch hierzulande sowohl die Umwelt- als auch die sozialen Bedingungen verbessern.“ Allerdings müssten auch die negativen Auswirkungen auf jene Länder, die derzeit das Rohmaterial exportieren abgefangen werden. Sie könnten beispielsweise vom Abbau von fossilen Brennstoffen auf die Gewinnung von alternativen Energien umsteigen, um neue Arbeitsfelder zu schaffen.

Grüner Wasserstoff statt Koks

Um den Einsatz alternativer Energien geht es auch beim Projekt RecHycle an dem unser Institut MATERIALS mitarbeitet. Dabei wird die Verwendung von grünem Wasserstoff und recycelten Hüttengasen anstelle von Koks und Kohlenstaub bei der Stahlerzeugung untersucht. Beim Stahlproduzenten ArcelorMittal im belgischen Gent wird der Betrieb des Hochofens mit einem Wasserstoff/Kreisgas-Gemisch und die entsprechende Lebenszyklusanalyse (LCA) zur Bewertung der CO2-Emissionsreduzierung definiert und optimiert.
„Wir untersuchen die Wasserstoffversprödung der im Hochofen verwendeten Materialien. Diese ist eine große Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Ofenanlage“, so Vojislav Petrovic Filipovic, der das Projekt bei MATERIALS leitet. Der Vorteil der Stahlerzeugung mit Wasserstoff als Energieträger: Bei der Verbrennung entsteht als Nebenprodukt nur Wasserdampf.

Schlacke für den Straßenbau

Das Grazer Stahlwerk Marienhütte macht aus Schlacke Schotter, der in der Bauindustrie eingesetzt werden kann. Einst aus Umweltschutzbedenken für verdächtig gehalten, birgt das Nebenprodukt der Betonstahlerzeugung ökologische und ökonomische Vorteile. Das hat unser Institut LIFE festgestellt. „Beim Treibhausgaspotenzial sieht man, dass die Verwendung von Betonstahlschlacke im Straßenbau im Vergleich zur Deponierung und zum Abbau von Naturschotter einen Vorteil von 300 Tonnen CO2 hat“, so Institutsdirektor Franz Prettenthaler. „Und auch bei den anderen untersuchten Kategorien wie Primärenergieverbrauch, Flächenbedarf, bei den Feinstaubemissionen und bei der Frage der Verwendung von Abwasser schneidet die Kreislaufwirtschaftsvariante besser ab, als der Abbau von Naturschotter bzw. Deponierung.“ Prettenthaler sieht zudem einen volkswirtschaftlichen Nutzen: Im Vergleich zur Deponierung entstehe eine Kostenersparnis im Ausmaß von 88 Prozent. LIFE hat für die Nutzung der jährlich anfallenden Betonstahlschlacke eine Wertschöpfung von 9,1 Millionen Euro errechnet, die Wertschöpfungsdifferenz zur Deponierung würde 3 Millionen Euro betragen. Die Marienhütte erzeugt pro Jahr rund 410.000 Tonnen stab- und ringförmigen Betonstahl, dabei fallen 72.000 Tonnen Hüttenschotter an. Diese Schlacke entsteht im Zuge des Stahlrecyclings im Elektrolichtbogen und weist eine gesteinsähnliche Beschaffenheit auf.

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